"John Lennon und ich hätten uns bestimmt gut verstanden"

Verbalrandale in der Provinz: Interview mit Ben Becker

Nach Ben Beckers John-Lennon-Performance im dicht besetzten Mainzer KUZ sprachen Dirk Fellinghauer und Tobias Hoffmann mit dem gefragten Film- und Fernsehschauspieler, der durch Hauptrollen in "Schlafes Bruder", "Comedian Harmonists", im "Tatort" und zahlreichen anderen Fernsehfilmen bekannt wurde.

Der ehemalige Punk, der heute lieber verbal Randale macht und mit F-Wörtern, hakenbekreuzter US-Flagge, ABBA-Button und "Sex"-Autogrammen provozieren will, kommt nach längerer Wartezeit doch noch an den Tisch im längst verwaisten KUZ-Saal, begleitet von seiner wachsamen Frau und Managerin Anne Seidel.

Nicht das erste (und wohl auch nicht das letzte) Weizen in der Hand, lässt er sich auf den Klappstuhl plumpsen, fährt sich mit gewohnt großer Geste durch die Haare und legt los: "Hallo, ich bin der Ben". Das wussten wir nun schon, aber wir erfahren auch Neues von dem 34-jährigen mit der berühmten Familie (Otto Sander, Meret Becker) und dem sorgsam gepflegten Rebellen-Image.

Zum Beispiel, dass er sich John Lennon nicht selbst als Thema ausgesucht hat. Vielmehr hat ihn die Berliner "Galerie auf Zeit", mit der bereits den jungen Bert Brecht und Ernst Jüngers "Drogen und Räusche" auf die Bühne gebracht hat, gefragt, und da fand er "durchaus, dass man sich mit beschäftigen kann, muss, soll". Der Erfolg in Berlin führte zur Tour durch die Republik, gestern war Endstation in Frankfurt.

Der klare Unterschied zwischen Film und Bühne ist für ihn das Live-Moment, auf der bühne müsse er viel minimalistischer arbeiten und schauen, wie die Leute drauf sind (an dieser Stelle ein bisschen Publikumsbeschimpfung: "Das hier war natürlich provinziell, sonst rede ich auch ein bisschen mit meinem Publikum"). Er kann auf jeden Fall "mehr von sich einbringen". Kurzes Nachdenken, dann: "Doch, live ist schön".

In seiner aktuellen Performance gibt er auch von sich was preis und denkt, "dass das im Sinne John Lennons gewesen wäre". Ben Becker zweifelt weder an sich noch an seiner Überzeugung, "dass John Lennon die Show gut gefallen würde und dass wir uns gut verstanden hätten".

Musikalisch ist Ben Becker Autodidakt. Die Band beschränkt sich – inklusive ihm selbst – auf drei Mitglieder, "weil wir bis jetzt den vierten Mann, sprich den Basser, noch nicht gefunden haben. Aber wir kommen auch gut zu dritt zurecht". Notfalls wird DAT zum vierten Bandmitglied, und grundsätzlich "spielen wir lieber zu dritt als jemanden in der Kombo zu haben, mit dem es nicht funktioniert".

Angefangen hat es musikalisch bei Ben Becker mit der Zero Tolerance Band, vor fünf Jahren "bekiffterweise in meinem Wohnzimmer", zunächst mit Hörspielen. 1997 folgte dann die erste LP "Und lautlos fliegt der Kopf weg", am 1. April 2000 soll "Wir haben ab" erscheinen – "natürlich nicht kommerziell, zwischen Dancefloor und Desaster".

Zu seinem Kollegen aus "Schlafes Bruder", André Eisermann, über den er sich auf der KUZ-Bühne kurz lustig gemacht hatte, während dieser zeitgleich auf der anderen Rheinseite im ausverkauften Wiesbadener Staatstheater mit Goethes "Werther" auf der Bühne stand, hat er, von ein paar Telefonaten abgesehen, keinen Kontakt mehr, sondern "mehr mit Musikern". Fühlt er sich womöglich sogar selbst mehr als Musiker? "Nein, ich bin ein sehr guter Schauspieler."

Und wenn er die Wahl hätte: Wäre sein nächstes Projekt dann ein gemeinsames mit seiner Schwester Meret Becker, mit André Eisermann oder mit David Bowie, dessen "Helden" er als Zugabe im KUZ gegeben hatte? "Dann klar mit David Bowie, meine Schwester läuft mir ja nicht weg."

Bevor wir Ben in seinen heiß ersehnten Feier-Abend entlassen, der bei ihm sicher mehr dem Wort gerecht wird als bei vielen anderen, interessiert uns, welche CD er zuletzt gekauft hat. Nach einigem Überlegen ruft er erleichtert aus: "Terranova, müsst ihr euch mal anhören." Erleichtert, weil ihm um ein Jahr nichts Besseres eingefallen wäre als "Avenue B von Iggy Pop und die neue David Bowie, das wäre ja langweilig gewesen."

Und wenn Ben Becker sich auch in vielen verschiedenen Rollen gefällt: Keine wäre ihm wohl mehr zuwider als die des Langweilers.

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