Den Song an sich zelebrieren

The New Wave Hookers aus Bamberg waren in ärztlicher Behandlung, aber das nur nebenbei

Wenn eine Band ihren Stil mit Endlos-Aneinanderreihungen beschreibt, zeugt das meistens von Einfallslosigkeit, Beliebigkeit und einem Es-allen-recht-machen-Drang. The New Wave Hookers präsentieren sich auf ihrer Homepage als "the first proto-progressive-pro-pot-post-proll-positive-power-porno-punk-pop-band on this planet!" Einfallsreich sind sie trotzdem, beliebig keineswegs und allen recht machen sie es mit ihrer Musik ganz sicher auch nicht.

Aber immerhin: "Dieses verrückte Trio aus Bamberg hat das Zeug, die Rockwelt zu erobern," hat die Musikzeitschrift Visions erkannt und liefert in ihrer aktuellen Ausgabe den Grund gleich mit: "Sie haben verstanden, dass ohne Humor alles keinen Spaß macht. Deshalb bieten sie einfach maximales Entertainment."

Weil sie im Stau gesteckt haben und dann schon ein Interviewtermin bei hr-xxl in Frankfurt ansteht, kommen sie zum Interview mit uns nicht wie geplant nachmittags in die Redaktion, sondern wir treffen uns abends in der Wiesbadener Szenekneipe "c/o".

Wir kennen uns nicht, aber wir erkennen die Musiker. Spätestens an der Aldi-Tüte, mit der Bassist Boom Boom Valdez in die hippe Kneipe kommt. "Das müssen sie sein." Sie sind es. Hunger haben sie, eine Bleibe haben sie nicht.

Deshalb werden sie nach einigen erfolglosen Telefonaten die geplante nächtliche Reise nach Kassel "knicken" und stattdessen bei uns übernachten. Deshalb können sie auch am nächsten Morgen nochmal die die Videothek, vor der sie abends geparkt haben, auf der Suche nach Trash-Streifen durchstöbern, die es dort auf dem Wühltisch gibt.

Trash ist ihre Welt. Deshalb haben sie sich nach dem punkigen Pornofilm "New Wave Hookers" ("der ist echt gut") benannt. Und sie setzten die Zurschaustellung ihrer Vorlieben konsequent fort auf ihrem frisch erschienenen Album "Music from Pornschlegel – The Kraut´s Meteor" (Rodrec/G-Punkt-Records), das voll mit lässig-lärmenden songs mit Längen im 1:30-2:30´-Bereich ist. "Wir beschränken uns auf die Finessen, wir wollen keine Schnörkel und kein überflüssiges Beiwerk, sondern den Song an sich zelebrieren," begründet Sgt. Pecker die Würze der Kürze. Er ist der Leadsänger der Band, live nutzen auch Drummer Herschel Martian und Basser Boom Bomm Valdez die Mikros, die vor ihnen stehen.

The New Wave Hookers sind Vinyl-Fetischisten – nicht nur des Sounds wegen, sondern auch, weil sie sich am Artwork erfreuen. Das Booklet zu ihrem neuesten Werk ist voller Bilder von komisch-gruseligen Gestalten und ganzkörperbekleideten Stellungstipps. "Von einem CD-Cover hat man nach zweimal rausnehmen genug, das ist totaler Wegwerfdreck, ein Plattencover schaut man sich aber beim Anhören immer wieder an," erkärt Boom Boom Valdez, der in Bamberg auch einen Vinyl-Laden betreibt, den feinen Unterschied. Gemeinsam haben die Hoookers auch ein Vinyl-Label gegründet und sind ganz gespannt auf die LP ihrer "Music from Pornschlegel". Ob auf Silberling oder Vinyl – die Musik macht einen Riesenspaß und deckt eine große Bandbreite ab. Sie ist auch vielseitig beeinflusst, außer der unüberhörbaren Vorliebe für Surf- und Punkmusik stehen die Bamberger auch auf Easy Listening, Soundtracks, HipHop, harte Musik oder Country.

Die Gefahr, mit einem entsprechenden Erfolg ihrer eigenen Musik abzuheben, sehen sie nicht. "Wir sind keine Großstadtkinder, außerdem haben wir das normale Leben schon kennen gelernt. Wenn man mit 20 gleich den Mega-Erfolg hat, besteht diese Gefahr sicher." Für Herrschel Martian misst sich Erfolg ohnehin weniger an Verkaufszahlen.

"Die eigene fertige Platte hören, zurücklehnen und genießen, das ist für mich Erfolg." Man glaubt es ihm auf´s Wort. Dazu passt auch das Statement der Band zur aktuellen Copy kills music-Kampagne der Plattenindustrie: "Natürlich haben die Plattenfirmen Schiss. Aber wenn jemand sonst kein Geld hat, eine CD zu kaufen, ist das doch völlig korrekt."

Ihr neues Album wurde von Rod Gonzales von den Ärzten produziert, der sie bei einem Auftritt in Berlin in der "Backstage-Kammer" besucht hat: "Hi, ich bin der Rod." Darüber freuen sie sich, denn der Profi aus der World League hat ihnen gute Tipps im Studio gegeben und das Label "produziert von Rod Gonzales" öffnet ihnen sicher manche Türen. Aber es öffnet auch ganz schnell Schubladen, und deshalb hat man das Gefühl, das The New Wave Hookers die prominente Unterstützung nicht so ganz an die große Glocke hängen wollen.

Obwohl deutsche Texte ziemlich angesagt sind, singen die Hookers auf Englisch, denn "das transportiert wunderbar die Musik, außerdem ist es schwierig, gute Texte in Deutsch zu machen."

Nach dem Interview haben die Vegetarier immer noch Hunger, deshalb gibt es ein paar Häuser weiter Falafel. Herrschel Martian schmeisst zur Verdauung eine Runde Jägermeister. Ich trinke Jägermeister, weil ich die Hookers klasse finde.

 

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