Das sympathischste Großmaul der Welt

Robbie Williams schmiss Konzertereignis des Sommers

9.9.99 – welch unvergessliches Datum. Nein, nicht wegen der vielen romantischen Ja-Sager. Sondern wegen des einen rockenden Nein-Sagers: Robbie Williams. Der hatte vor vier Jahren zu "Take that" "Fuck that" gesagt. Dass das eine gute Entscheidung war, bewies er bei seinem Konzert in der Offenbacher Stadthalle.

In der bis unters Dach (mit teilweise von weither angereisten Fans) gefüllten Offenbacher Stadthalle schmiss er das Konzertereignis des Sommers – einen 75-minütigen Saunagang mit dem wirkungsvollsten Aufguss gegen Langeweile und schlechte Laune: Entertainment.

Der Titel des Openers war Programm des Konzerts, ist Programm der Person: "Let Me Entertain You". Vorbei sind die Zeiten einstudierter Tanzschrittchen, jetzt rast Robbie wie ein Wildgewordener von einem Ende der Bühne zum anderen, springt in die Höhe und landet im Spagat, reisst die Arme auseinander und greift sich ungeniert in das Körperteil, das er sogar schon auf Deutsch kennt: "Alles klar im Schritt?" fragt er grinsend in die johlende Masse.

Die ist aufgeteilt in die kreischenden Mädels von damals, die sich direkt vor der Bühne gegenseitig platt drücken und reihenweise von den schwerstarbeitenden Security-Leuten aus der Menge gehievt werden, und in die Fans von heute, die zwar nicht ganz so hysterisch, aber genauso frenetisch jubeln und singen und klatschen und tanzen, wie es Robbie gefällt.

"Should I Stay or Should I Go" lautet – nach einem Full-Speed-Programm zwischen "Karma Killer" und dem vom Publikum fast alleine gesungenen "Angel" – seine rhetorische Zugaben-Frage. Sie wird mit einem kollektiven Gehüpfe beantwortet, das so manche Punk-Größe neidisch machen würde.

"It΄s fucking hot up here" hatte Robbie vorher die Schweißgebadeten getröstet und sich entschuldigt, dass der völlig am Ende sei – um dann noch mal richtig aufzudrehen, gemeinsam mit einer Band, die im Gegensatz zu Take That nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich ganz genauso drauf zu sein scheint wie er selbst.

Näturlich ist Robbie Williams auch heute noch eine Inszenierung. Nur: Damals, bei Take That, wurde er inszeniert – als glattgebügelter Teenie-Schwarm. Heute, auf Solopfaden, inszeniert er sich selbst – als das sympathischste Großmaul der Welt. Sympathisch deshalb, weil sein breites Grinsen, seine ausgebreiteten Arme und sein durchdringender Blick zwar sagen "Ich bin der Größte", dabei aber den ihm zu Füßen liegenden Fans vermitteln "Ihr aber auch".

Der neue Robbie Williams ist nicht nur glaubwürdiger, sondern macht auch mehr Spaß. Den Fans, der Presse – und am allermeisten wohl ihm selbst.

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