Musik für den Kopf und für die Zehen

Interview mit der britischen Erfolgsband Suede

Alle Aufs und Abs einer Musikerkarriere hat die britische Band Suede erlebt. Nach ihrer Gründung wurden sie von der mächtigen Musikpresse auf der Insel hochgehypt ("Best New Band in Britain"), später zerrissen, jetzt – nach drei Millionen verkauften Alben – sind sie einfach etabliert und haben mit ihrem neuen Album "Head Music" (Epic/nude) gezeigt, dass sie immer wieder für neue Töne gut sind. Vor ihrem fulminanten Konzert in der Neu-Isenburger Hugenottenhalle trafen Dirk Fellinghauer und Tobias Hoffmann die Band in ihrer Garderobe.

"Jungs, Promo-Fun." Der Tourmanager machten den Mitgliedern der Band richtig Lust auf das Interview mit uns. "Ich fürchte, ihr könnt keine Bilder machen," legt Bassist Mat Osman mit Blick auf unsere Kamera nach, während Drummer Richard Oakes gerade erst aus der Dusche kommt. Das geht ja gut los.

Aber der erste Eindruck verflüchtigt sich. Suede (der schillernde Fropntmann Breatt Anderson lässt sich entschuldigen und wird später beim Konzert als Entschädigung sein Mikro auf uns abfeuern) sind richtig nett, wenn auch scheinbar etwas verschlafen, und am Ende des 20-minütigen Gesprächs dürfen wir dann doch noch ein Foto machen, "aber nur zur privaten Verwendung".

Unsere erste Frage an die einstigen Aushängeschilder des Britpop: "Glaubt ihr auch, dass die Zeit des Britpop vorbei ist?" "Ja, ich denke, dass das stimmt," sagt Simon und relativiert, dass Britpop ohnehin nur ein Label von Musikjournalisten sei, die zu faul seien, herauszuarbeiten, um was es in der Musik eigentlich geht.

Gitarrist Richard erklärt, was Suede antreibt, überhaupt Musik zu machen: "Es ist eigentlich nur die Möglichkeit, sich auszudrücken. Das ist eine langweilige Antwort, aber es stimmt." Musik sei einfach das, was sie immer schon tun wollten. Und es sei immer wieder faszinierend, "was für unglaubliche Sachen herauskommen, wenn fünf ganz unterschiedliche leute ins Studio gehen und ihre Verse und Akkorde zusammen bringen."

Das neue Album "Head Music" ist "101 % Suede", hatten wir in der Info der Plattenfirma gelesen und wollen wissen, was das eine Prozent mehr ausmacht. "Ich würde sagen, es sit 100 Prozent, es hat schließlich keine Coverversionen," meint Richard und als die Musiker von unserer Informationsquelle erfahren, lachen sie: "Oh, die Presseinfo, das hat nichts mit uns zu tun." Später signieren sie selbige mit den Worten "Rubbish" und "100 % Industry".

Überhaupt sind sie nicht gerade gut auf die Musikindustrie zu sprechen. "Copy kills music", die laufende Kampagne der Plattenfirmen, halten sie für absoluten Quatsch. "Das gleiche wollten sie uns 1977 erzählen, als Kassetten rauskamen, und was ist passiert? Die Plattenfirmen sind doch immer noch recht gesund." Auch wenn die Leute jetzt teilweise MP 3 nutzen würden, würde die Mehrheit doch weiterhin Alben ihrer Lieblingsbands kaufen. Und Richard meint: "Selbst wenn irgendwann mal 100 Prozent Downloading stattfindet, hält das die Leute nicht davon ab, Musik zu machen. Kopieren killt vielleicht die Musikindustrie, aber nicht die Musik."

Ihr neuestes Album "Head Music" ist nicht vom Kopf, sondern für den Kopf gemacht, erklären sie, "von den Fingern für den Kopf, und für die Zehen, Head Stroke Body Music." Und bevor es zu bedeutungsschwer wird, sagen sie lächelnd: "Jedes Album braucht einen Titel."

Jedenfalls seien sie mit dem neuen Album sehr glücklich und hätten ihre ganze Bandbreite gezeigt, was auch daran liege, dass die eine Hälfte der Band in ihren frühen Zwanzigern ist und die andere eben icht (sondern in den Dreißigern).

Für Musiker, die Millionen von Alben verkauft und entsprechend kassiert haben, kann es eigentlich nur noch einen Wunsch geben: "Was würdet ihr tun, wenn ihr für einen Tag Gott sein könntet?" "Was, nur einen Tag?" empören sie sich erstmals und entscheiden sich dann für: "Ich würde es heiss machen, denn heute ist es frostig kalt. Und ich würde alle Menschen gutaussehend, unabhängig und lustig machen."

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